Lehm ist ein wundervolles Material. Feucht ist er leicht formbar, auch mit den eigenen Händen. Er ist ungiftig und als vorgeformter Stein, z.B. in Ziegelsteinformat, lässt sich jede Mauer mit ihm hochziehen, vor allem Innenwände, die selbst keine statischen Funktionen übernehmen müssen. Unbehandelt und ohne Zusatzstoffe hat er die erdbraune Farbe, wie er regional vorgefunden wird. Er lässt sich aber auch einfärben und anstreichen. In gemahlenem Zustand kann er zu einem Putz verarbeitet werden, der ähnlich gute bauphysikalische Eigenschaften hat wie eine gemauerte Lehmziegelwand. Unter Beimischungen von Zusatzstoffen erhöht sich sein Verwendungspotential. Vermengt mit Stroh steigert er den Wärmedämmwert eines Bauteils und beschützt durch einen weiten Dachüberstand kann er sogar bauphysikalisch die Funktion einer Außenwand übernehmen.
Aber allein als schlichte Innenwand ist Lehm atemberaubend oder besser Atem schonend, denn Lehm ist hygroskopischer als andere Baumaterialien. Die Küchenwand in unserem Haus z.B. ist eine aus Lehmziegel gemauerte Innenwand. Mit ihrer natürlichen Tabakfarbe leistet sie völlig unaufgeregt den alltäglichen Job für ein prima Klima in der Küche. Lehm kann Feuchtigkeit gut aufnehmen und abgeben, hygroskopisch eben. Am dankbarsten sind alle Küchennutzer bei uns für das „Schlucken“ von Kochgerüchen, wie sie z.B. entstehen, wenn Heringe gebraten werden oder wenn einfach etwas leider anbrennt. Natürlich verschwinden diese Gerüche nicht innerhalb von Minuten, aber schneller.
Unsere Lehmwände sorgen im Winter und im Sommer für mehr Behaglichkeit. Sie schonen durch ihren ausgleichenden Einfluss auf die Luftfeuchtigkeit im Raum unsere Atemwege in der Heizperiode und mindern drückende Schwüle im Sommer. Die in der Speisekammer gelagerten Obst und Gemüsesorten ziehen ebenfalls ihren Nutzen daraus.
Jede Lehmwand in unserem Haus sieht anders aus.
Wenn ich mit der Hand über die Oberfläche der Lehmwände im Treppenhaus streiche, fühlt es sich glatt und geschmeidig lebendig an. Meine Freundin Catherine ist Bildhauerin. Sie hat hier in der Abtrocknungsphase des Lehms sorgfältig Punkt für Punkt in den noch feuchten Lehm gedrückt und einen flüchtigen Abdruck der beschwingten Seele unseres Haus festgehalten. Lehm lädt zur Kreativität ein und inspiriert.
Die lehmverputzte Wand im Musikzimmer bekam einen Anstrich in „pompeijanisch Rot“.
Lehm ist fast eine unendliche Geschichte. Sie beginnt in der Urzeit der Menschheit und hat längst den Weg in die Gegenwart geschafft. Mit seinen umweltfreundlichen Eigenschaften kann Lehm es mit anderen modernen Baustoffen aufnehmen und in mancher Hinsicht übertreffen.
Dass ein so berühmter Architekt wie David Gilly, der 1798 zum Professor an der Bauakademie in Berlin berufen wurde, mit Lehm baute, adelt diesen Werkstoff historisch gesehen.
(Und dass Lehm sein inspirierendes Potential auch bei Kindern entfaltet, versteht sich von selbst.)
Schön lebendig geschriebener Artikel. So lebendig wie die Lehmwand im beschriebenen Treppenhaus.
Ja, Lehm ist ein wunderbarer Baustoff. Der Artikel lädt zum Ausprobieren ein. –
Und nicht zu vergessen – massive Lehmwände wirken harmonisierend auf die Akustik im Raum.