„Du hast aber früh mit Kinderkriegen angefangen. Du hast Doch noch so viel Zeit!“ Das höre ich mit meinen 28(!) Jahren nicht selten. Ich drücke die Quote und falle aus dem Schema der typisch akademisch spätgebärenden Mutter.
Dass ich eine große Familie haben wollte, wusste ich schon als ich selbst noch ein Kind war. Das war so glasklar, wie wenig anderes in meine Leben: Ich will Kinder – mehrere sogar. Allerspätestens mit 25. Das stand fest. Bis ich als Aupair nach Amerika ging. Danach hat sich der Zeitpunkt etwas nach hinten geschoben. Die drei Kinder unter 5, eines davon mit Behinderung, waren eine gute „Trockenübung“ für ein Leben, dem ich mich doch noch nicht ganz gewachsen fühlte. Ich wollte ich doch lieber warten, bis ich 32 bin.
Ein neuer Plan muss her
Mit 23 Jahren ändert sich dann doch wieder alles. Nachdem mich mein Frauenarzt mit PCOS und einhergehender Insulinresistenz diagnostizierte, sagte er mir ganz deutlich, dass ich es schwerer haben werde Kinder zu bekommen und eine Hormontherapie nötig wäre. Wenn ich also Kinder haben möchte, dann lieber früher als später. Plötzlich wurde der Wunsch nach einem Kind so stark, dass ich mein Leben ordentlich umkrempelte. Mein damaliger Freund, jetzt Mann, wurde mehr oder weniger festgenagelt und ich ordnete meine „Bucketlist“ – die Liste mit allen Dingen, die ich in meinem Leben machen will – neu. Ich kündigte meinen Job, schrieb mich wieder in der Uni ein, ernährte mich nach Logi, ging regelmäßig zum Sport und bemühte mich nicht böse auf das Universum zu sein, weil ausgerechnet mein größter Herzenswunsch so schwer zu erfüllen war. Ich war so ungeduldig. Nach ein paar Monaten reichte es mir. Ich schrieb mich für ein Auslandssemester in den Niederlanden ein und meldete mich für eine Entgiftungskur an. Trotzdem machte noch eine letzte Runde Hormontherapie zu Ende. Ihr könnt es Euch sicher denken: Ich war schwanger.
Plan A folgt Plan B
Obwohl ich doch alles so gut geplant hatte hat sich seit dem positiven Schwangerschaftstest vieles anders entwickelt als angedacht. Ins Ausland ging ich trotzdem. Immerhin stand das auf meiner Lebens-ToDo-Liste. Ich habe schnell gemerkt: Alleine und schwanger ist den Niederlanden wirklich doof! Während meine Kommilitonen kiffend Party feierten und nachts durch die Krachten zogen, machte ich alleine (der Rest schlief noch) Fahrradauflüge zu Windmühlen und aß tonnenweiße Pannenkoeke. Die Schwangerschaft war unkompliziert, trotzdem hatte ich ständig Angst, man könnte mir mein Baby wieder nehmen. Ich war alles andere als entspannt. Und weil wir hier schon so ehrlich sind: Auch die Geburt und das erste Jahr mit meiner Tochter waren anstrengend und nicht so wie ich es mir vorgestellt habe.
Beruflicher Widereinstieg? Pustekuchen!
Zum Glück habe ich mein Studium so getaktet, dass ich Zeit für den Nachwuchs hatte und dann wieder entspannt in das Berufsleben einsteigen konnte. Das dachte ich zumindest. Mit meiner Tochter entstand die Idee mich selbstständig zu machen mit einem Service der den Frauen mehr Sicherheit und Unterstützung in ihren individuellen Entscheidungen während der Schwangerschaft gibt. Etwas, was mir zu der zeit sehr fehlte. Im Nachhinein war das eine gute Entscheidung. Denn obwohl ich mich mit Leib und Seele in die Selbstständigkeit stürzte wollte ich die Anfangszeit mit einer Teilzeitstelle überbrücken. Doch nach vielen gescheiterten Bewerbungen hörte ich das erste (und nicht das letzte) Mal von Personalern: Ich wäre für einen Arbeitgeber in keinster weise attraktiv. Ich habe ein kleines Kind zu Hause, bin durch das Studium schon 2 Jahre aus dem Berufsleben raus, bin jung Mutter geworden, was darauf schließt das ich sicher noch mehr Kinder wolle. Kein Unternehmen würde eine solche Mitarbeiterin wollen. Sie wäre oft krank braucht lange zur Einarbeitung und wenn dann alles endlich läuft ist sie schon wieder schwanger. (Ich musste innerlich lachen, bei der Aussage, wie „einfach“ man schwanger wird)
Alles anders…
Ich bekam also das erste Kind mit 26 statt 32. Es entstand nach Termin und mit Hilfe, statt einer romantischen Nacht mit Kerzenschein im Urlaub. Ich empfand Schwangerschaft, Geburt und das erste Jahr mit meiner Tochter nicht als so magisch und wundervoll, wie erwartet. Sie wurde mit Ängsten und viel Unsicherheit begleitet. Ich wollte nie selbstständig sein. Nun bin ich es mit Herz und Seele.
Ich plane weniger und träume mehr. Ich bin zwar immer noch ungeduldig aber kann auch besser loslassen. Ich will unbedingt noch mehr Kinder weiß aber nicht, ob, wann und wie das überhaupt passieren wird. Das verunsichert mich noch heute. Den richtigen Zeitpunkt gibt es nicht im Sinne einer Deadline. Er ist genau dann, wenn der Herzenswunsch nach etwas nicht mehr zu überhören ist und einen vorantreibt. Wenn alles anders kommt, kann das durchaus beängstigend sein. Ich habe gelernt mich darauf einzulassen, denn anders muss nicht schlechter heißen. Ganz im Gegenteil!
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„Wann ist der richtige Zeitpunkt?“ Diese Frage stellen sich viele Paare, wenn sie über die Familienplanung sprechen. Und hadern nicht selten mit der Tatsache, dass es keine wirklich befriedigende Antwort dazu gibt. Ist das Kind dann da merken wir Eltern schnell, dass diese Frage zu einem treuen Begleiter wird: Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Fremdbetreuung meiner Kinder? Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Berufswiedereinstieg? Wann ist der richtige Zeitpunkt meine Teenager-Tochter das erste Mal bei ihrem Freund übernachten zu lassen? Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Nutzung von Ipad & Co, für den ersten Urlaub mit Oma und Opa, für die erste feste Nahrung oder ein Geschwisterchen?
Die Antworten darauf sind so unterschiedlich und kunterbunt, wie die Familien selbst. Um zu zeigen, wie individuell der richtige Zeitpunkt sein kann und dass es nicht DEN richtigen Zeitpunkt gibt, möchten wir eine Blogparade starten, die einem jeden Platz lässt über die ganz eigenen Zeitpunkte und Beweggründe zu schreiben. Wir freuen uns über jeden der Lust hat unter dem #richtigerzeitpunkt mitzumachen!
Ein wirklich toller Text! Ich bin übrigens auch ‘jung’ Mutter geworden (mit 26), was zu den Zeiten meiner Mutter eigentlich schon ‘alt’ war (sie war 23).
Erschreckend finde ich den Absatz, in dem du über Personaler schreibst, wie verbohrt muss man als Mensch sein, so über andere zu urteilen. Eigentlich schade, es erklärt aber, warum es viele Frauen hier heute mit Kindern so schwer haben oder sich eben gleich dagegen entscheiden…
Liebe Grüße!
Dani
Ein schönes Thema und es würde mich nicht wundern, läse sich das Ergebnis ungefähr so: Für 90 % der Teilnehmer war der Zeitpunkt, zu dem das Kind kam, der richtige, 90 % ihres Umfelds hingegen empfanden den Zeitpunkt als zu früh / zu spät. 😉
Schöner Text! Ich bin auch mit 27 Mutter geworden! Mein Sohn ist mittlerweile eineinhalb und das nächste Kind ist in Planung! Ich werde teilweise wirklich schräg angeguckt! Nicht nur,dass ich ja soooo “jung” bin bin ich zu allem Überfluss auch noch reichlich tättoowiert! Auf Kindergartenversammlungen werde ich behandelt wie eine Außerirdische und es ist auch schon mal passiert,dass man mich für ein Au Pair gehalten hat! Jeder so,wie er will! Eine gute Mutter kann man weder an Alter,noch an Äußerlichkeiten festmachen!
Vielen Dank ihr drei! Ich freue mich immer zu hören, dass auch andere sich ähnlich entschieden haben. Ja, ich werde von meinem Umfeld ganz unterschiedlich wahrgenommen. Da ich aus dem Osten komme und dazu auch noch ganz junge Eltern und Großeltern habe wird schnell auch assoiziiert, dass man sich keine Gedanken darüber gemacht hat und die Entscheidung keine bewusste war. So werde ich manchmal nicht ernst genommen, aber teilweise eben auch für meinen Mut bewundert. Die Reaktion der Personaler hat mich anfangs wütend gemacht. Mittlerweile belächle ich sie nur, da sie sich so viel motivierte, organisierte und dankbare MitarbeiterInnen entgehen lassen und zeitgleich über Fachkräftemangel jammern. Wirklich albern! Liebe Grüße, Ulrike
Liebe Ulrike,
vielen Dank für Deinen Text! Ermutigend liest sich das natürlich nicht – aber es ist ein Appell an unser aller Solidarität.
Auch ich habe mein erstes Kind mit 27 bekommen (meine Mutter bekam mich in den 60ern mit 23) und musste mir damals in den frühen 90ern anhören, dass ich, die Studentin, mich ja nun wohl gegen die Wissenschaft (in meinem Fall: Germanistik / Philosophie) entschieden hätte…. Die Sprüche kamen nicht von Personalern, sondern von Kommillitoninnen, die offensichtlich froh waren, eine Konkurrentin im Kampf um Promotionsstipendium oder Assistentenstelle los geworden zu sein. Und tatsächlich: An so einem – milde formuliert – lebens-fremden Platz konnte ich mir das Weiterarbeiten nicht vorstellen.
Mich hat das damals auch völlig überraschend getroffen: Auch ich stamme aus dem Osten; seit mindestens drei Generationen waren die Frauen meiner Familie voll berufstätig. Meine Mutter, ihre Freundinnen: alles Akademikerinnen und Mütter von mindestens einem Kind. In der DDR herrschte wie in Westdeutschland in den 60er und 70er Jahren Arbeitskräftemangel. Kein Gedanke daran, dass diese Frauen, teuer ausgebildet wie sie waren, zu Hause hätten rumsitzen dürfen. (In der Konsequenz führte auch das zu Gebährmüdigkeit. Aber das ist eine andere Geschichte.)
Für mich wäre das Weiterstudieren und Arbeiten mit Kind selbstverständlich gewesen -. nicht aber für potentielle Arbeitgeber.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass hier jeder völlig zu Recht gegen Diskriminierung geschützt wird (Schönes, ganz frisches Beispiel: Gerichtsurteil: „taz“ diskriminiert Männer), nur wir Mamas eben nicht. Es wird höchste Zeit, dass das aufhört!